Gold-Duo im Doppel-Interview: „Hansi ist ein wilder Hund“
Johannes Aigner hat es tatsächlich geschafft. Bei seinen ersten Paralympics, beim ersten Bewerb, in seiner ersten Abfahrt überhaupt, kürte sich der 16-jährige Niederösterreicher zum Paralympicssieger.
Nach dem Triumph erhielt der Youngster noch am Samstagabend im Yanqing Medal Plaza seine Goldmedaille überreicht.
Wir haben Johannes Aigner und seinen Guide Matteo Fleischmann zum Doppel-Interview gebeten.
Paralympicssieger, wie hört sich das an?
Aigner: Einfach cool, ich weiß noch gar nicht, was wirklich passiert ist. Wir haben überhaupt nicht damit gerechnet, die Abfahrt wollten wir einfach fahren, um Spaß zu haben. Jetzt ist es die Goldmedaille, einfach wunderschön.
Fleischmann: Es ist so schön, weil es so unerwartet passiert ist. Für den Hansi freut es mich brutal, er ist einer der coolsten Typen, die ich kenne.
Ihr habt im Ziel abgeschwungen, die Top-Favoriten waren bereits unten und plötzlich leuchtet es grün …
Aigner: Matteo hat mir zugerufen, dass wir vorne sind. Ich habe es zuerst gar nicht glauben können und habe gedacht, er legt mich vielleicht rein. Dann hat er gesagt, dass es wirklich stimmt…
Fleischmann: … und dann haben wir uns umarmt. Es war ein unbeschreibliches Glücksgefühl, so etwas habe ich zuvor noch nie erlebt.
In den Trainings wart ihr immer in den Top-3 kam die Goldmedaille so unerwartet?
Aigner: Weil es unsere erste Abfahrt überhaupt war. (lacht) Im Training ist es gut gelaufen, aber da weiß man nie, ob alle Vollgas fahren und richtig ‚wachseln‘. Die Abfahrt war wirklich eine Wundertüte.
Fleischmann: Die Idee ist entstanden, als wir in Saalbach trainiert haben. Dort wurde eine Abfahrt präpariert und wir haben gesagt, das versuchen wir. Dass Hansi ein wilder Hund ist, wusste ich. Und dann hat es uns ab der ersten Fahr extrem viel Spaß gemacht.
Aigner: Es war schon eine gewisse Überwindung, aber das Tempo hat etwas. In Saalbach haben wir auch Sprünge trainiert, dann waren wir hier fast etwas enttäuscht, dass sie die Sprünge nach den Olympischen Spielen abgetragen haben. Was ich aber auch sagen muss: Ich würde nicht mit jedem Abfahrt fahren, bei Matteo weiß ich einfach, dass ich mich auf ihn verlassen kann.
Wir groß ist der gegenseitige Respekt?
Fleischmann: Riesengroß. Hansi fährt die Piste mit acht Prozent Sehvermögen, das kann man sich kaum vorstellen. Es ist ungefähr so, wie wenn man die Augen ganz fest zusammenkneift und nur einen kleinen Punkt sieht. Und dann mit 100 km/h eine Abfahrtspiste hinunterfahren, das würde ich mich glaube ich nicht trauen.
Aigner: Matteo muss dafür beim Fahren immer auf mich Rücksicht nehmen und sich umdrehen. Da verdreht es dir ja die Körperachse und jeder Skifahrer weiß, wie schlecht das ist.
Ihr seid im Helm mit Funk verbunden, wie kann man sich das während eines Rennens vorstellen?
Fleischmann: Man hat gewisse Ankerpunkte, das ist bei jedem Läufer verschieden. Es gibt gewisse Kommandos, aber wir müssen uns auch immer über den Abstand auf dem Laufenden halten.
Aigner: Und manchmal geht es da ziemlich zur Sache. Matteo weiß genau, wie ich ticke und wann ich vielleicht etwas mehr Gas geben könnte. Ich verlasse mich zu hundert Prozent auf ihn. Mit einem anderen Guide würde ich glaube ich nicht fahren.
Fleischmann: Bist du aber schon…
Aigner: Als Matteo beim Bundesheer war, bin ich mit Lisi (Schwester Elisabeth/Anm.) gefahren. Sagen wir so: Es hat überhaupt nicht funktioniert. (lacht)
Apropos Schwester: Elisabeth, Veronika und Barbara waren beim Rennen alle im Zielbereich. Wie speziell ist es, mit ihnen gemeinsam feiern zu können?
Aigner: Das ist natürlich sehr schön. Sie sind gleich nach dem Rennen her und haben sich mit mir gefreut. Die Mama war sicher nervöser als ich, danach habe ich mich einmal erkundigen müssen, wie es ihr geht. Aber es ist alles in Ordnung, ein paar Tränen sind aber geflossen.
Ihr alle geltet als Medaillen-Mitfavoriten. Ist das ein Druck oder hast du den jetzt mit der Goldmedaille genommen?
Aigner: Mein persönliches Ziel von einer Medaille habe ich erreicht, alles was kommt, ist Draufgabe. Für Babsi und Vroni sieht es sicher gut aus, wenn sie in den technischen Bewerben ihre Leistung bringen, wird das schon passen. Es gibt jedenfalls keine Medaillenwertung in der Familie, wir freuen uns einfach mit den anderen mit. Am Ende werden wir wissen, was herauskommt. Eines ist fix: Wir werden sie lautstark anfeuern.
Fleischmann: Genau so ist es! Das haben sie bei uns gemacht und uns dadurch extrem viel gegeben, wir werden sie also sicher unterstützen.
Nachdem du in der Abfahrt bereits Gold gewonnen hast, kommen die Fragen nach fünf Medaillen in fünf Bewerben…
Aigner: Ich werde jedenfalls in allen fünf starten, mehr will ich dazu nicht sagen. Es kann so viel passieren, man muss jeden Tag neu anlegen. Morgen kommt einmal der Super-G, dann schauen wir weiter. Wenn es bei dieser Medaille bleibt, kann ich sehr glücklich nach Hause fliegen.
Ihr verbringt sehr viel Zeit miteinander, zwischenmenschlich muss das passen, oder?
Aigner: Unbedingt, wir sind viel mehr als Teamkollegen, wir sind Freunde die zusammen Ski fahren.
Fleischmann: Es hilft, dass wir uns so gut verstehen. Ich spiele mit ihm seine Computerspiele, er interessiert sich genauso für meine Autoschrauber-Projekte zu Hause. Dadurch entsteht eine viel tiefere Bindung. Das ist dann im Lauf Gold wert – im wahrten Sinne des Wortes.